Kapitel 10
Pro Ponita, contra Wolfiana
Wolfiana raste auf ihren Vater zu und schrie "Baba!"; dann erzählte sie ihm alles, was geschehen war.
Wolfimir Wolfimirowitsch Kremlin staunte nicht schlecht. "Lass uns das sofort aufschreiben", forderte er. "Ich werde alles notieren, das Blatt lochen und in einem Ordner abheften. Wer weiß, vielleicht ist uns das irgendwann mal nützlich! Jedenfalls werden wir uns merken, dass wir Ponita nicht mögen sollen und ihre ganze Familie am besten sofort meiden, falls wir je wieder mit iht zu tun haben werden." Seine scharfen, blauen Augen eines gierigen, manierenlosen Wolfes aus den kalten, verschneiten Wäldern Nord-Europas- und Asiens blitzten amüsiert-bösartig.
Nach einer Stunde aß Wolfiana alles essbare auf, was es im Haus gab.
"Jetzt musst du uns aber ganz viel neues Essen besorgen, sonst verhungern wir hier noch", schrie Wolfianas Mutter Wolfatiana. "Der Supermarkt ist weit weg und es kostet unserem armen Klapperautochen ganz viel Energie, dorthin zu fahren, Wolfiana Wolfatiankowa! Unser Automobil raucht schon ganz viel, und der Auspuff... Ach, das merkst du dir ja sowieso alles nicht." Die große, schlaksige Wölfin seufzte genervt und schüttelte den Kopf in Wolfimirs Richtung.
Nachdem Wolfiana (unter großem Druck ihrer Eltern) alles nötige besorgt hatte, erzählte sie nun auch ihrer Mutter von dem riesigen Erlebnis, das aus einem normalen Tag heraus entstanden war. Wolfatianas Unterkiefer klappte nach unten. "Schreib das auf!", befahl sie dem verärgerten Wolfimir. Er brummte: "Tu ich doch schon, du! Kannst du nicht sehen, dass ich hier was auf mein Papierchen kritzele, Wolfatiana Kremlin?!" Sein weißes Fell färbte sich leicht rot vor unnötigem Zorn.
Währenddessen amüsierte Ponita sich zu Hause. Sie spielte mit ihrem selbstgenähten Filz-Täschchen. Es war helltürkis und es prangte ein schimmernder grauer Knopf darauf.
Es dämmerte. Ponita stand auf, legte die Tasche ab und sah aus dem Fenster. Sie hörte das Läuten der Kirchglocken. Die Stunden vergingen und es wurde eine sternenklare Nacht.
Ponita lehnte sich an die Fensterbank und beobachtete die funkelnden Sterne. Den Mond konnte sie auch sehen. Nach einer Weile ging sie ins Bett und träumte die besten Träume.Alles war so perfekt, wie es auch voher gewesen war. Ponita fand das sehr gut.
Am nächsten Morgen war Ponita schon früh wach, während Wolfiana noch tief und fest schlief und dabei lärmend scharchte. Als der Wecker klingelte, stöhnte sie wie ein Bär nach dem Winterschlaf und gähnte minutenlang.
"Jetzt steh endlich auf, mit deinem Stöhnen quälst du nur unsere Ohren und vertreibst dir die Zeit", schrie Wolfimir aus der Küche, während er gerade ein Häufchen im Haus zusammengekehrter Körner in einer rostigen Pfanne mit wenigen Tropfen alten Öls briet.
"Prima", lobte Wolfatiana seine angeblichen Kochkünste, und gab sechs große Löffel grobes, bräunliches Mehl dazu.
Nach einer Weile nahm Wolfimir die so gebackenen Fladenbrote aus der Pfanne. "Das ist mein bestes Vollkornbrot", sagte er. Die Fladen hatten die Form von Reibekuchen.
Als alle aufgegessen und sich (sehr schlampig) die Zähne geputzt hatten, zupfte Wolfiana an ihrer selbstgeschnitzten bananenförmigen Gitarre. Die Saiten bestanden aus Wollfäden. Die Musik klang sehr schief, doch Wolfiana gefiel sie. Dazu sang sie dieses Lied:
"Schalalalalala, juhu ich bin wieder da, ich hab' die Abenteuer satt, ich hab' die Nase voll, lalalalalala, mein Haus hat auf mich gewartet, und jetzt bin ich wieder hier, schala - ja! Das ist supertoll! Schalala-hahaha!" Es war überhaupt nicht melodisch und Minuten nachdem sie es gesungen hatte, dröhnte es dem laut fluchenden Wolfimir in den Ohren, die sehr empfindlich waren, was er natürlich nicht zugab.
Unterdessen saß Feldmausina auf einem Sofa. Sie hatte Ponita und Wolfiana in diesem Moment vergessen. Sie las ein Buch. Als sie ein Kapitel gelesen hatte, stand sie auf und ging zum Balkon. Die Frühlingssonne schien hell am Himmel und die Luft war frisch.
In Wolfianas Heimat zogen dunkle Wolken auf. Gleich darauf begann ein fürchterliches Gewitter.
"Wie das donnert und lärmt! Das stört mich!", schrie Wolfiana aus vollem Hals.
"Schrei nicht so!", schimpfte Wolfimir, der alles immer so negativ wie möglich betrachtete.
"Ja ja, schon gut", sagte Wolfiana völlig genervt. In diesem Augenblick sah sie einen Blitz. Dann hörte man ein Donnern. Das Haus vibrierte und die Bewohner wurden richtig durchgeschüttelt.
"Wie blöd! Unsere Hütte wackelt!", sagte Wolfatiana. "Sie ist doch nicht morsch wie ein alter Baum, nur etwas krumm. Leider wird dieser Sturm unsere ärmliche Behausung bestimmt kaputt machen."
Wolfimir geriet in Panik. "Schade, unser unendlich tolles Haus wurde beschädigt!", kreischte er.
Es ging ein tiefer Riss durch das Dach und die Wände. Das Haus fiel in sich zusammen.
E N D E
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